Menschen mit Namen wie Habibullah statt Huber, mit mehr als zwei Kindern oder mit Bezug von Bürgergeld stehen auf dem deutschen Mietmarkt vor besonderen Herausforderungen. Welche Erfahrungen Wohnungssuchende machen und wie rigoros Vermieter bei der Auswahl vorgehen.
Strenge Auswahlkriterien auf dem Mietmarkt
Christian Schuster benötigt nur wenige Sekunden, um Bewerbungen auszusortieren. Eine Familie mit fünf Kindern? Für ihn ein klares Nein. „Das geht gar nicht“, sagt der Vermieter, der strikt darauf besteht, dass maximal ein Paar mit einem Kind in seine 125-Quadratmeter-Wohnung einzieht, wie es in seiner Onlineanzeige steht. Seine Begründung: „Bei großen Familien schimmelt es schnell, wenn nicht richtig gelüftet wird.“
Auch Empfänger von Bürgergeld haben bei ihm keine Chance – eine Konsequenz aus negativen Erfahrungen in der Vergangenheit. Von 137 Bewerbungen bleiben lediglich sieben übrig, bevorzugt werden gut verdienende Ingenieure. Für Schuster, der seit mehr als 30 Jahren im Großraum Stuttgart Vermieter ist, steht der geringe Aufwand mit Mietern an oberster Stelle.
Unsichtbare Diskriminierung wird sichtbar
Schuster, der seinen echten Namen aus Angst vor Anfeindungen nicht preisgeben möchte, ist eine Ausnahme unter den Vermietern: Er erlaubt einen Blick in seine Praxis. Damit macht er sichtbar, was sonst im Verborgenen geschieht – die alltägliche Diskriminierung auf dem deutschen Wohnungsmarkt. Menschen mit Namen wie Aslan oder Habibullah, Familien mit mehr als zwei Kindern oder Bürgergeldempfänger haben kaum eine Chance. Häufig werden sie schon vor dem Besichtigungstermin aussortiert, ohne Gelegenheit, sich persönlich vorzustellen. Ein Mietvertrag bleibt für viele in weiter Ferne.
800.000 Wohnungen fehlen in begehrten Regionen
Für Vermieter wie Christian Schuster ist die Entscheidung, Bewerber auszuschließen, eine Sache von Sekunden – für die Abgelehnten jedoch hat sie weitreichende Konsequenzen. Die Wohnungsnot in Deutschland war seit Jahrzehnten nicht mehr so gravierend wie heute. Noch nie waren Mieten in vielen Regionen so hoch, und Immobilien für Durchschnittsverdiener so unerschwinglich. Obwohl die Regierung jährlich den Bau von 400.000 Wohnungen angekündigt hatte, wurde dieses Ziel 2023 um ein Viertel verfehlt. Eine Verbesserung der Lage ist bisher nicht in Sicht.
Gleichzeitig stehen erstaunlicherweise 1,9 Millionen Wohnungen leer, vor allem in Ostdeutschland. Doch gerade in den begehrten Regionen fehlen laut dem Bauforschungsinstitut Arge etwa 800.000 Wohnungen. Über 9,5 Millionen Menschen, darunter viele Alleinerziehende mit ihren Kindern, leben auf zu engem Raum – das entspricht etwa jedem neunten Menschen in Deutschland. In den Großstädten ist die Überbelegung besonders ausgeprägt.
Sozialwohnungen auf historischem Tiefstand: Verlierer des Wohnungsmarkts
Die Zahl der Sozialwohnungen in Deutschland hat einen historischen Tiefpunkt erreicht. In den vergangenen 15 Jahren hat sie sich nahezu halbiert und beträgt nur noch rund eine Million. Der Abwärtstrend hält an: Laut dem Institut der Deutschen Wirtschaft fallen bis 2035 jährlich etwa 40.000 Sozialwohnungen aus dem Bestand, wobei nur ein Teil durch Neubauten ersetzt wird.
Von dieser Entwicklung profitieren Vermieter wie Christian Schuster, während es für Wohnungssuchende, die nicht ins bevorzugte Schema passen, immer schwieriger wird. Beispiele gibt es viele: Ein nigerianischer Unternehmer, der Bio-Cashewnüsse produziert, muss nach der Kündigung seines langjährigen Vermieters in Freiburg eine neue Bleibe finden, da die Wohnung verkauft wird. Ein syrischer Fliesenleger, der aus einer Asylunterkunft in Ehingen an der Donau ausziehen möchte, scheitert bei der Wohnungssuche. Auch die Familie Hamo, Jesiden aus dem Nordirak mit fünf Kindern, findet in Winnenden im Schwabenland keine geeignete Unterkunft.
Viele Ursachen, ein politisches Spiel
Die Rahmenbedingungen auf dem Wohnungsmarkt haben sich dramatisch verschlechtert. Die Corona-Pandemie brachte das öffentliche Leben zum Stillstand, gefolgt vom Ukrainekrieg, der Material- und Arbeitskosten in die Höhe trieb. Hohe Inflation, steigende Zinsen und Uneinigkeit in der Ampelkoalition über die Förderung von Neubauten setzten der Baubranche zusätzlich zu. Die Folge: Ein Rückgang im Wohnungsbau, steigende Mieten und eine zunehmende soziale Ungleichheit.
Diesen Missstand nutzen vor allem rechte Parteien wie die AfD, um Stimmung zu machen. Sie schieben die Verantwortung für die Wohnungskrise auf Flüchtlinge und schüren gezielt Neid, indem sie einzelne Bevölkerungsgruppen ins Visier nehmen. Dabei ist die Migration zwar ein Faktor, aber nur eine von vielen Ursachen für die angespannte Lage auf dem Wohnungsmarkt.
Migranten zahlen mehr für schlechteren Wohnraum
In Deutschland lebt mehr als die Hälfte der Bevölkerung zur Miete, in einigen Großstädten liegt der Mietanteil sogar bei 85 Prozent. Attraktive Wohnungen sind heiß begehrt und häufig schnell vergeben, oft werden sie informell vermittelt.
Migranten haben es auf dem Mietmarkt besonders schwer: Laut Zahlen des Statistischen Bundesamtes wohnen sie im Durchschnitt nicht nur unter schlechteren Bedingungen, sondern zahlen dafür auch höhere Mieten. Der Grund dafür liegt häufig im fehlenden sozialen Netzwerk. Ein großer Freundes- und Bekanntenkreis erleichtert die Wohnungssuche erheblich – ein Vorteil, der vielen Migranten fehlt.
Alltägliche Vorurteile und die Hürden der Wohnungssuche
Ralf Brodda, Leiter des Stuttgarter Ablegers des Deutschen Mieterbunds, kennt die Herausforderungen, denen Migranten auf dem Wohnungsmarkt begegnen. „Die Leute gehen zwar zur Dönerbude, aber wenn einer, der türkisch kocht, einziehen will, ist das lästig,“ beschreibt er die verbreiteten Vorurteile. Klischees wie „zu laut“, „nicht finanzkräftig genug“ oder „grillen ständig auf dem Balkon“ prägen die Haltung vieler Vermieter und sind oft ausschlaggebend bei der Wohnungsvergabe.
Eine Studie der Antidiskriminierungsstelle des Bundes aus dem Jahr 2020 belegt, dass rund 41 Prozent der Befragten große oder sehr große Vorbehalte haben, ihre Wohnung an eingewanderte Personen zu vermieten. Brodda betont, dass Diskriminierung nicht nur von Einheimischen ausgeht. Auch Migranten, die es zu Wohlstand gebracht haben, zeigen nicht zwangsläufig Verständnis für andere Zugewanderte.
Ein Mieter kämpft zurück
Ein Fall aus Berlin offenbart, wie tief Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt verankert ist. Ein 31-jähriger IT-Experte mit türkischem Namen – gebürtiger Deutscher und perfekter Mieter – erhielt von der Deutsche Wohnen nach 17 Bewerbungen ausschließlich Absagen. Um den Verdacht der Benachteiligung zu überprüfen, bewarb er sich erneut mit zwei Fake-Namen: Philipp Müller und Maximilian Weber. Mit diesen Identitäten kam er weiter, während seine echte Bewerbung wieder abgelehnt wurde.
Mit Unterstützung der Berliner Fachstelle für Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt setzte er sich schließlich zur Wehr. Die Fachstelle verwies auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz und ein Urteil des Amtsgerichts Charlottenburg, das Diskriminierung aufgrund ethnischer Herkunft verurteilte. Daraufhin reagierte die Deutsche Wohnen prompt, bot dem Betroffenen mehrere Wohnungen an, entschuldigte sich jedoch nicht. Der Fall zeigt, wie unsichtbare Vorurteile Migranten systematisch benachteiligen – selbst wenn sie alle Voraussetzungen eines „idealen Mieters“ erfüllen.
Wachsender Druck auf den Wohnungsmarkt
Auch ohne Zuwanderung wäre die Wohnungsnot in vielen Regionen Deutschlands bereits erheblich. Durch die Aufnahme von rund 1,2 Millionen Geflüchteten, darunter viele aus der Ukraine, stieg die Bevölkerung auf ein Rekordhoch von fast 85 Millionen Menschen. Bevölkerungsforscher prognostizieren, dass in bestimmten westdeutschen Regionen das Wachstum bis mindestens 2040 anhalten wird. Der Druck auf den Wohnungsmarkt wächst weiter, wenn nicht ausreichend gebaut wird. Eine hohe Nachfrage trifft auf ein begrenztes Angebot, was es Vermietern ermöglicht, besonders wählerisch zu sein.
So auch bei Christian Schuster: Die 125-Quadratmeter-Wohnung, die er vermieten möchte, ist noch immer nicht vergeben. „Ich will keine Kompromisse eingehen“, erklärt er, „da warte ich lieber auf die richtigen Mieter.“
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